Artikel 37 der Verfassung

Es handelt sich um einen zahlungspflichtigen Artikel. Daher nicht für alle sichtbar. Schade.

Aber ich halte so einen „Zustand“ für politisch Interessierte nicht für unwesentlich. Daher habe ich den Text hier kopiert.

Artikel 37 der Verfassung, na und? Demokratie stirbt an Schlamperei.

Hauptsache, hell und luftig. Der Bundesrat hat im umgebauten Parlament einen neuen Raum. Er ist nicht gesetzeskonform. Warum das niemanden gestört hat.

Jetzt etwas ganz anderes. Etwas, was unwichtig scheinen mag, die Aufmerksamkeit nicht wert sein muss. Dennoch etwas, was viel über unseren Umgang mit Regeln, Demokratie, dem in Verruf geratenen „System“ und über unseren Hang auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen, die Dinge „nicht so eng zu sehen“, aussagt.

Immerhin geht es um den Umgang mit der Bundesverfassung, der „Schönen“ (© Bundespräsident Van der Bellen), um die Zweite Kammer des Parlaments, den Bundesrat sowie um die Amtsführung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka.

Viele werden das jetzt für eine Lappalie halten. In Wahrheit jedoch geht es um Artikel 37 Absatz 3 der Bundesverfassung und die Frage, ob von der Parlamentsführung, dem Präsidium plus den Klub­obleuten der fünf Fraktionen willentlich und wissentlich dagegen verstoßen wurde und wird.

Besagter Artikel verfügt nämlich: „Die Sitzungen des Bundesrates sind öffentlich.“ Nur, die Öffentlichkeit hat seit der Übersiedlung der Zweiten Kammer in das alte Lokal 6, den Budgetsaal, dort keinen Platz mehr. Sollten sich jedoch einige Mitglieder dieser Öffentlichkeit dorthin verirren, müssten sie sich stehend an die Wand drängen und die Augen schließen, damit sie nicht versucht sind, in die Unterlagen der bundesrätlichen Hinterbänkler zu blicken.

Sollte unter diesen Umständen der Zutritt zum Sitzungssaal des Bundesrats verwehrt werden, kann die Vorlage eines entsprechenden Beschlusses verlangt werden. Denn in der Verfassung heißt es auch: „Die Öffentlichkeit kann jedoch gemäß den Bestimmungen der Geschäftsordnung durch Beschluss aufgehoben werden.“ Laut Auskunft des Teams Medienservice des Parlaments gab es seit dem Jahr 1945 keinen derartigen Beschluss.

Vielleicht haben die Klubführungen von ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und Neos bei der Raumaufteilung des umgebauten Parlaments auf diesen Bruch der Verfassung aufmerksam gemacht und wenigstens dagegen protestiert. Nachfragen ergeben keine Treffer. Der Pressedienst der Direktion ließ umgehend wissen: Der Bundesrat selbst hat ausdrücklich die Übersiedlung in einen Raum mit Tageslicht (der alte Saal ist ohne Fenster) und Frischluft begrüßt. Warum der „Sicherheitsaspekt“ aber so wichtig war, erschließt sich nicht. Im alten Saal habe es „praktisch“ keinen Abstand zwischen den Sitzreihen der Mandatare und der Besucher gegeben, hieß es. Im neuen Saal jedoch gibt es gar keine Sitzreihen, weshalb sich ein Abstand erübrigt, praktisch oder theoretisch.

In der Präsidiale sei, so die Auskunft, das Problem der vergessenen Öffentlichkeit auch nie thematisiert worden. Den Bruch der Verfassung könnte man mühelos vermeiden, indem man eben die Öffentlichkeit per Entscheid ausschließt und dies veröffentlicht. Wahrscheinlich würde ein Verbot des Besuchs der Sitzungen des Bundesrats medial nicht besonders gut aufgenommen werden – vor allem, weil Sobotka der Ruf vorauseilt, kein Freund der Transparenz und kein Förderer ungehinderter Medienarbeit zu sein.

Einer breiteren Öffentlichkeit wurde das Thema via Untersuchungsausschuss zur Kenntnis gebracht, in dessen Raum plötzlich Raumabtrennungen zwischen Journalisten und Abgeordneten auftauchten. Sie wurden erst nach heftigen Protesten der Parlamentsredakteure wieder abgebaut. Die ominöse „Message Control“ kann eben auf ganz unterschiedliche Art ausgeübt werden. Aber das ist eine andere Geschichte.

Uns hat hier vor allem der schlampige Umgang mit demokratiepolitischen Regeln zu interessieren, die mangelnde Sensibilität gegenüber geltenden Rechtsvorschriften. Wenn heute stillschweigend gegen Artikel 37 des B-VG verstoßen werden kann, ohne dass irgendein Mandatar, irgendeine Abgeordnete dies thematisiert, warum dann nicht auch gegen andere, bedeutendere Bestimmungen vielleicht? Demokratie stirbt nicht nur in Finsternis, wie die renommierte „Washington Post“ proklamiert, sie stirbt auch in Schlamperei.

Das Original: https://www.diepresse.com/18497542/artikel-37-der-verfassung-na-und-demokratie-stirbt-an-schlamperei

Robert (Übersicht)

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