16. September 2024
Bei dem Beitrag handelt es sich um einen (zahlungspflichtigen) „Plus-Artikel“.
Ich halte das aber für wissenswert, daher habe ich den Bericht hier kopiert.
Ich hoffe, DER SPIEGEL wird mir über diese Gratiswerbung nicht böse sein … 😉

Boot mit Feuerwehrleuten im österreichischen Rust im Tullnerfeld: »Extremer als alles zuvor Bekannte«
Foto: Helmut Fohringer / AFP
Gelungener Hochwasserschutz in Österreich.
Wie Wien vor der Flut bewahrt wurde.
Mehrere Länder in Mitteleuropa sind von extremem Hochwasser betroffen. Wasserexperte Günter Blöschl sagt, welche Maßnahmen in Niederösterreich gut funktioniert haben und warum Warnungen aus der Wissenschaft verpuffen.
SPIEGEL: Herr Blöschl, in Teilen von Deutschland und im restlichen Mitteleuropa herrscht Hochwasser. Österreich ist besonders stark betroffen. Im Vergleich zu den schweren Fluten im Jahr 2002 und 2013 kommt das Land jedoch glimpflicher davon. Liegt das an einem verbesserten Hochwasserschutz?
Blöschl: Es hat zwei Gründe. Die Donau ist weniger stark gestiegen als bei den beiden vergangenen Hochwassern. Das lag daran, dass der Niederschlag in den Bergen als Schnee fiel, wodurch er zurückgehalten wird und verzögert abfließt. Die Pegel waren deswegen wesentlich geringer als ohne Schneefall. In kleineren Flüssen und Bächen, vor allem in Niederösterreich, war das Hochwasser dagegen extremer als alles zuvor Bekannte. Dort hat Österreich aus den Jahren 2002 und 2013 gelernt und war besser vorbereitet.
SPIEGEL: Inwiefern?
Blöschl: Nehmen Sie St. Pölten, dort sind innerhalb von drei Tagen ungefähr 350 Liter auf den Quadratmeter gefallen. Ein solches Ereignis tritt nur alle paar Hundert Jahre auf. Bei solchen Wassermassen kann auch der beste Hochwasserschutz Überschwemmungen nicht verhindern. Also kommt es auf die richtige Vorbereitung an. Die Prognose von Hochwasser ist dank neuer Computermodelle deutlich präziser geworden. Man kann dadurch etwa zielgerichtet Evakuierungen einleiten oder mobile Dämme aufbauen. Das hat in Niederösterreich gut funktioniert.
SPIEGEL: Wieso rüsten wir den Hochwasserschutz nicht so stark auf, dass keine Evakuierungen mehr nötig sind?
Blöschl: Dämme und Regenrückhaltebecken sind wichtig, aber jede Maßnahme hat ihre Grenze. Regenrückhaltebecken beispielsweise speichern Wasser zwischen und verringern dadurch die Pegelspitzen in den Flüssen. In Niederösterreich wurde eine Reihe solcher Becken gebaut in den vergangenen 20 Jahren, sie haben beim aktuellen Hochwasser auch sehr geholfen. Allerdings können Sie solche Becken nicht für noch seltenere und extremere Ereignisse als ein Jahrhunderthochwasser auslegen. Das wäre viel zu teuer, zudem müsste man massiv in die Landschaft eingreifen.
SPIEGEL: Nach einer verheerenden Flut in den Fünfzigerjahren wurde in Wien ab dem Jahr 1972 die sogenannte Neue Donau gebaut. Dieser Seitenarm kann bei Bedarf über Wehre zu einem fließenden Gewässer umfunktioniert werden. Die eigentliche Donau wird entlastet und so die Stadt geschützt. Welche Rolle spielte die Neue Donau am Wochenende?
Blöschl: Eine wichtige. Der Hochwasserschutz von Wien ist ausgelegt auf einen Durchfluss der Donau von 14.000 Kubikmetern pro Sekunde. Etwas mehr als die Hälfte trägt die Donau selbst bei, den Rest die Neue Donau. Am vergangenen Wochenende haben wir mehr als 10.000 Kubikmeter gemessen, das hätte die Donau allein also nicht fassen können. Ohne den Entlastungskanal wäre Wien teilweise überflutet worden.
SPIEGEL: Könnte ein Entlastungskanal auch andere Städte gegen Hochwasser schützen?
Blöschl: Ein Entlastungskanal ist zwar wirkungsvoll, aber er hat auch Nachteile: Ihn zu bauen, ist teuer, zudem benötigt man viel Platz. In Köln etwa kann man nicht einfach einen neuen Kanal bauen, der müsste mitten durch die Stadt führen. Wenn sie eine weiträumige Umgehung bauen, wird der Kanal noch teurer.
SPIEGEL: Durch den Klimawandel dürfte Starkregen häufiger werden. Müssen wir mehr Geld in die Anpassung an Hochwasser von Flüssen investieren?
Blöschl: Das hängt stark von der Region ab. In Klimaprognosen nehmen Hochwasser nicht an allen Flüssen in Europa zu. Im Süden von Europa sehen wir bei großen Flüssen kein höheres Risiko, bei kleineren Flüssen und Bächen jedoch schon. In Russland und der Ukraine nimmt die Wahrscheinlichkeit für Hochwasser sogar ab, weil Fluten dort oft auf Schneeschmelzen folgen und durch die Erderwärmung weniger Niederschlag als Schnee fällt. In Österreich und auch in Deutschland erwarten wir eine deutliche Zunahme. Dort muss nachgerüstet werden.
SPIEGEL: Wie genau?
Blöschl: Ein Teil des Risikos kann durch naturnahe Maßnahmen abgepuffert werden, etwa die Begrünung von Dächern oder die Entsiegelung von Flächen. Viel wichtiger in der Gesamtbilanz sind aber Schutzbauwerke wie Dämme oder Rückhaltebecken. Diese sind typischerweise auf ein hundertjähriges Ereignis abgestimmt und dann auch sehr effizient.
SPIEGEL: Für eine Studie untersuchten Sie vor zwei Jahren, was Regionen zu einem verbesserten Hochwasserschutz antreibt. Wie lautete das Ergebnis?
Blöschl: Wir haben gesehen, dass es einen relevanten Treiber für mehr Hochwasserschutz gibt: nicht etwa Warnungen aus der Wissenschaft, sondern die eigene Betroffenheit. Nur wenn eine Region einmal ein extremes Hochwasser erlebt hat, kann man die Menschen von mehr Investitionen in Hochwasserschutz überzeugen. Von Hochwasser in anderen Regionen lernt man dagegen wenig. Man mag das ernüchternd finden, aber so sind wir Menschen nun einmal.
Ehe wer fragt, wer ist dieser Blöschl, kann der überhaupt was?
Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Dr.h.c.mult. Günter Blöschl
https://tiss.tuwien.ac.at/person/144993?locale=de
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